Polyamorie bedeutet, mehr als einen Menschen zu lieben. Aber wie geht das? Was ist mit Eifersucht? Und wer hat mit wem Sex? Hier gibt’s die Antworten.
Was ist Polyamorie?
Ob Zeit, Spiegel oder Süddeutsche: Polyamorie ist zurzeit ein großes Thema. Selbst Nachrichtenportale beschäftigen sich ausgiebig mit der mehrteiligen Liebe. Dabei sind Begriff und Beziehungsmodell gar nicht so neu. Bereits 1990 hat sich dieser Ausdruck etabliert, um die Liebe und Beziehung zwischen mindestens drei Personen zu beschreiben.
Der Begriff setzt sich aus dem altgriechischen „polys“ und dem lateinischen „amor“ zusammen und definiert damit den Sachverhalt treffend: Mehrere (poly) Menschen lieben (amor) sich einvernehmlich und ohne Geheimnisse.
Hinter polyamoren Beziehungen steckt eine tiefergehende Philosophie, in der Werte wie Respekt, Vertrauen, Rücksichtnahme, Ehrlichkeit und vor allem Liebe eine zentrale Rolle spielen. Hier geht es weniger darum, mit mehreren Menschen außer dem eigentlichen Partner Sex zu haben. Diese Beziehungsform ist deutlich vielseitiger und es gibt zahlreiche Formen und Werte, die dabei wichtig sind.
In der Polyamorie hingegen steht der Sex mehr im Hintergrund und die Liebe ist der zentrale Kern dieser Beziehungsform. Auch liegt der Fokus nicht auf kurzlebigen Beziehungen, sondern mehr auf einem langfristigen, tiefgründigen Zusammensein. Alle Beteiligten in der polyamoren Beziehung sind in der Regel gleichberechtigt. Ob das offene Verhältnis schon eine polyamore Beziehung sein kann, ist umstritten. Einige stimmen dem zu, andere lehnen dies ab.
Bei der polyamoren Beziehung ist vor allem die Wahlfreiheit aller Beteiligten wichtig. Deshalb hat sie von Anfang an nicht eine legale Bindung (also die Hochzeit) als Ziel. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen ist wichtig, da es oft auf unterschiedlichen Grundsätzen basiert, wie diese Beziehungsform überhaupt zustande gekommen ist.
Welche Formen der Polyamorie gibt es?
Achtung, jetzt wird es kompliziert. Denn die Polyamorie ist nicht wie andere Beziehungsformen (wie etwa die Ehe) von klaren Regeln und Normen durchzogen. Stattdessen gibt es unterschiedliche Formen und Ausprägungen, die passend zu den Bedürfnissen der Partner ausgelotet werden. Unter Umständen ändern sie sich auch mit der Zeit. Einige klassische Beispiele für die unterschiedlichen Formen sind die folgenden.
- Offene Beziehungen
Ob offene Verhältnisse schon als polyamore Verhältnisse gelten, ist nicht ganz klar. Das ist immer abhängig von den Vereinbarungen, die zwei oder mehrere Menschen miteinander haben. In der Regel wird hier von einer „Hauptpartnerschaft“ zwischen zwei Menschen gesprochen. Beide können jedoch auch noch eine oder mehrere „Nebenpartnerschaften“ führen. Wichtig dabei ist, ob die beteiligten Partner mehrere Liebesbeziehungen (und nicht nur sexuelle Verhältnisse) akzeptieren. Ist dem so, kann von polyamoren Beziehungen gesprochen werden. Gibt es außerhalb der Beziehung nur körperliche Abenteuer und keine Liebe, zählt die Partnerschaft eher nicht zur Polyamorie. - Polyfidelty
Bei der Polyfidelity stehen drei oder mehr Menschen miteinander in einem romantischen Verhältnis. Sie haben vereinbart, dass keiner der Beteiligten außerhalb dieser Konstellation weitere Verhältnisse führen sollte. Die Beziehungen sind oft langfristig ausgerichtet: Man lebt zusammen in einem Haushalt, zieht Kinder gemeinsam groß, bekommt evtl. auch ein weiteres Kind und bezeichnet sich als Familie. - Mono-polyamore Beziehungen
Diese Form der Partnerschaft ist wirklich sehr speziell: Hier führt ein Partner weitere Liebesbeziehungen, während der andere Partner monogam leben möchte. Das ist nicht etwa die schöne Umschreibung für eine Affäre und ♥Fremdgehen. Die Voraussetzung ist hier, dass beide Partner sich darüber im Klaren sind und diese Beziehungsform auch akzeptieren. Sie reden offen darüber und es gibt im Idealfall keine Geheimnisse und Lügen.
Welche Werte sind bei der Polyamorie wichtig?
Jede Beziehungsform basiert auf bestimmten Werten und Idealvorstellungen. Auch in der polyamoren Mehrfachbeziehung gibt es bestimmte Prinzipien, die als Ideale gelten. Dann kann das polyamore Verhältnis funktionieren.
- Ehrlichkeit
Polyamore Menschen betonen, dass Ehrlichkeit gegenüber allen Partnern eines der wichtigsten Prinzipien in einer Mehrfachbeziehung ist. Es werden keine Partnerschaften hinter den Rücken der anderen geschlossen, es wird nicht gelogen und nichts verschwiegen. - Respekt
Die anderen Partner werden stets mit Respekt betrachtet und behandelt. Nicht nur das eigene Wohlergehen, die eigenen Empfindungen und die eigene Gesundheit werden berücksichtigt, sondern auch die der Partner. - Treue
Die Treue in einer polyamoren Partnerschaft bezieht sich weniger auf die sexuelle Treue, wie sie in monogamen Beziehungen stattfindet. Hier geht es eher um die Einhaltung der Absprachen und der Prinzipien. - Offenheit und Kommunikation
Sowohl positive wie auch negative Dinge wie ♥Eifersucht oder Konflikte müssen auf jeden Fall offen an- und ausgesprochen werden. Die Partner sprechen auch offen über Bedürfnisse und Ängste. - Freiheit
Besitzergreifendes Verhalten gegenüber den Partnern ist bei einer Partnerschaft mit mehreren Menschen völlig fehl am Platz. Stattdessen werden die mehrteiligen Liebesbeziehungen untereinander als Bereicherung für den jeweils anderen gesehen und damit als wohltuend für die gesamte Partnerschaft. Eifersucht hingegen ist okay und darf nicht verharmlost werden. - Hingabe und Verpflichtungen
Letztendlich gilt für polyamore Beziehungen auch das, was für jede andere ernsthafte Beziehung gilt. Alle Beteiligten müssen die Partnerschaften pflegen und ihren Verpflichtungen z. B. im Haushalt oder für das Kind nachkommen.
Was steckt hinter Polyamorie?
Was ist Polyamorie nun aber eigentlich? Ist es ein neuer Lifestyle, ist es ein Ausbrechen aus den konventionellen Normen und Zwängen der Monogamie? Oder passiert es einfach nur aus Bequemlichkeit, weil man sich hier nicht auf einen einzigen (Sexual-)Partner festlegen muss?
Weder noch. Die Philosophie hinter der Polyamorie lässt sich in drei Grundannahmen zusammenfassen.
- Liebe über alles
Wir können uns es nicht aussuchen, in wen wir uns verlieben. Ebenso können wir uns es nicht aussuchen, in wie viele Personen wir uns verlieben. Besonders, wenn die ♥Liebe auf den ersten Blick zuschlägt, sind wir machtlos.
Das Konstrukt der Monogamie, dass wir uns nur in eine einzige Person verlieben können und mit ihr für immer zusammenbleiben, ist sozial ausgedacht. Vor allem in der westlichen Kultur ist das die Norm. Polyamore Liebe hingegen berücksichtigt die Vielfältigkeit der Liebe. Menschen, die sich in mehrere Personen verlieben und mit ihnen zusammen sein wollen, können hier endlich glücklich werden. - Nicht Ich, sondern Wir
Ein zentrales Prinzip ist, dass hier nicht das Ich und die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Stattdessen zählt das Wir. Es geht nicht um die Erfüllung der eigenen Gelüste wie Sex (was in einer offenen Beziehung sehr wohl der Fall sein kann), sondern darum, dass wir uns auf die anderen Partner voll einlassen, sie glücklich machen und ihre Bedürfnisse akzeptieren und erfüllen. - Nicht Sex, sondern Liebe
In einer polyamoren Mehrfachbeziehung geht es nicht darum, dass man im Leben mit möglichst vielen Partnern schlafen kann. Stattdessen geht man mit mehreren Menschen eine respektvolle, tiefe und enge emotionale Bindung ein. Diese muss nicht mal sexueller Natur sein. Es gibt polyamore Partnerschaften, beispielsweise zwischen einer Frau und zwei Männern, in der die Männer ein sexuelles Verhältnis mit der Frau haben, aber nicht miteinander. Dennoch herrscht zwischen den zwei Männern ein polyamores Verhältnis, da sie sich emotional eng verbunden fühlen und man durchaus von Liebe sprechen kann.
Wie kann Polyamorie funktionieren?
Es klingt für Außenstehende vermutlich etwas chaotisch und nicht durchführbar, tatsächlich kann eine polyamore Beziehung aber durchaus funktionieren und das sogar langfristig. Viele Partnergemeinschaften leben zusammen in einem Haushalt, ziehen gemeinsam ein Kind oder sogar mehrere Kinder groß und führen ein harmonisches Familienleben.
Möchte man ein polyamores Verhältnis eingehen, muss man sich über die Werte, Prinzipien, Grundannahmen und auch über die eigene Motivation klar sein. Möchte man beispielsweise mehrere Partner haben, damit man sich sexuell ausleben kann, ist eine ♥offene Beziehung besser geeignet.
Wie geht man mit Eifersucht um?
Eifersucht ist generell ein großes Thema in Beziehungen. Und so ist es auch hier. Während besitzergreifendes Verhalten in polyamoren Verhältnissen nicht toleriert wird, ist das Gefühl „Eifersucht“ sehr wohl zulässig. Wichtig dabei ist der Umgang mit der Eifersucht. Statt die Gefühle zu unterdrücken oder zu verstecken, sollten sie offen mit allen Beteiligten besprochen werden.
Die anderen Partner dürfen diesen Gefühlen nicht mit Ablehnung begegnen, sondern müssen auf die eifersüchtige Person offen eingehen und sie emotional unterstützen. Eifersucht ist für viele polyamore Menschen ein Zeichen, dass in der Beziehung etwas nicht richtig läuft oder dass Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Dieses Problem muss von allen Beteiligten offen angegangen, besprochen und gelöst werden. Sonst kann es passieren, dass einer der Partner langanhaltenden ♥Liebeskummer hat. Im schlimmsten Fall entsteht eine ♥toxische Beziehung. Und das ist weder gesund, noch macht es glücklich.
Wie häufig ist Polyamorie?
Wie viele Menschen mehrere Partner lieben, ist schwer zu sagen. Einige Quellen sprechen von ungefähr 10.000 Menschen in Deutschland, die in einer polyamoren Beziehung leben. Diese Form der Partnerschaft wird von sehr vielen Menschen unserer Kultur nicht anerkannt und skeptisch betrachtet. Daher kann es sehr gut sein, dass viel mehr Menschen ihre polyamore Liebe eher im Geheimen leben. ♥